Master-Thesis Charlotte Maier: Kleisterpapier - Untersuchungen zu Quellenlage und Herstellungstechniken


Die Masterthesis wurde an der Hochschule der Künste Bern im Fachbereich Konservierung und Restaurierung verfasst und im Januar 2019 eingereicht. Betreut wurde sie durch MA Franca Mader und Dr. phil. Doris Oltrogge.

Kleisterpapiere gehören zu den Buntpapieren und haben als solche eine dekorative Funktion. Ihr Charakteristikum ist eine mit Kleister gebundene Farbschicht. Kombinationen unterschiedlicher Applikations- und Bearbeitungsmethoden brachten historisch eine grosse Vielfalt an Erscheinungsformen hervor. Die systematische, textkritische Quellenrecherche bildet das Kernstück dieser Masterthesis: Es wurden historische Quellen vom Spätmittelalter bis Ende des 19. Jahrhunderts nach Hinweisen auf Herstellungstechniken durchsucht und kommentiert. Auch vereinzelte Quellen aus dem 20. und 21. Jahrhundert wurden berücksichtigt. So konnten 28 historische Kleisterpapierrezepte im 18. und 19. Jahrhundert und unzählige moderne aufgefunden, kommentiert und eingeordnet werden. Ergänzend wurden Kleisterpapiere in situ studiert und diese Objekte auf ihre Herstellung, Verwendung sowie zeitliche Einordnung hin geprüft. Anknüpfend wurden experimentelle Rekonstruktionsversuche vorgenommen. Mit dieser Herangehensweise ist es gelungen, viele historische Herstellungstechniken nachvollziehbar zu machen und zu dokumentieren sowie daraus relevante Aspekte in Hinblick auf die Konservierung und Restaurierung abzuleiten.

Ausgangslage: In der Fachwelt fand die Buntpapiersorte der sogenannten Kleisterpapiere bisher wenig Beachtung, obwohl diese beispielsweise bei Bucheinbänden und Möbelauskleidungen über den grossen Zeitraum zwischen 1700 und 1900 anzutreffen sind. Es fehlen bis anhin fundierte Informationen zu Herstellungstechniken und Geschichte der Kleisterpapiere sowie eine verbindliche Fachterminologie. Ferner sind Kleisterpapiere kulturhistorisch und in Bezug auf mögliche Konservierungs- und Restaurierungsmassnahmen bislang nicht beforscht. Die Fragestellung lautet: Wie sieht die Quellenlage zum Thema Kleisterpapier aus, was sind die Herstellungstechniken und wann wurden diese angewendet?

 

 

 

Bucheinband recto, Buchinhalt datiert 1807, Unitäts-Archiv Herrnhut, ohne Signatur, „Protocoll der Unitäts-Aeltesten-Conferenz April May Juny 1807“ (Foto: Ch. Maier 2018).

Kleisterpapierrezept aus J. C. G. (1752). Die rechte und wahrhafte Färbe-Kunst, S.225 (Foto: Digitalisat http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb11110241-0).

Rekonstruktion „Kleisterpapier in Abzugstechnik“: Kleisterpapier wird vom Wachstuch gezogen. Rezept aus: Thon, Ch. F. G. (1826) Der Fabrikant bunter Papiere (Rekonstruktion Charlotte Maier, Foto: Junya Keller 2018).

Methoden: Um eine Grundlage für die kunsttechnologische Beschreibung zu schaffen, wurde eine Sichtung spätmittelalterlicher, neuzeitlicher und moderner Quellen nach Fachtermini, Herstellungstechniken und Datierungen vorgenommen. Diese Informationen wurden in situ mit verschiedenen Fallbeispielen abgeglichen. Des Weiteren wurden experimentelle Rekonstruktionsversuche von historischen Rezepten unternommen, um diese wiederum in einen Vergleich mit den Kleisterpapierobjekten in situ einbringen zu können.

Resultate: Durch die Quellenanalyse konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass die Kleisterpapierrezepte in den 68 durchsuchten Quellen eine eigenständige Kategorie bilden und mit 28 Beispielen insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert vertreten sind. Rezepte und Anweisungen von Vorläufertechniken konnten bereits in Quellen des Spätmittelalters und der Renaissance aufgefunden werden, ebenso der Gebrauch stärkehaltiger Kleister zusammen mit Farbmitteln. Kleisterpapiere, wie wir sie heute kennen, werden erstmals bei J. C. G. in Die rechte und wahrhafte Färbe-Kunst von 1752 mit einem vollständigen Rezept beschrieben. Sie häufen sich ab dem 19. Jahrhundert.

Als weiteres Ergebnis hat sich gezeigt, dass Kleisterpapier kein historischer Fachbegriff ist. Daran lässt sich auch die Thematik der uneinheitlichen Terminologie in der Vergangenheit festmachen. Zudem konnte eine historisch gewachsene Vermischung der Begriffe Kleisterpapier und Marmorpapier festgestellt werden.

Die in den Quellen beschriebenen Techniken konnten den dokumentierten Kleisterpapieren in situ zugeordnet und zeitlich zwischen 1700 und 1840 angesiedelt werden. Es wurde eine Systematik entwickelt, die erlaubt, die Kleisterpapiere nach herstellungsbedingten Gesichtspunkten einzuordnen.

Als Herausforderung stellte sich die Datierung von historischen Kleisterpapieren heraus, da zu deren Provenienz meist nichts bekannt ist. Über den jeweiligen kunst- und kulturhistorischen Kontext konnten Eingrenzungen vorgenommen werden und für Kleisterpapiere verschiedene Stufen der Verlässlichkeit von Datierungen zur kritischen Beurteilung erarbeitet werden.

Ferner dient ein eigens entwickelter Schadenskatalog als Diskussionsgrundlage und kann künftig bei der Zustandsbeurteilung von Kleisterpapieren herangezogen werden.

Bucheinband recto, Buchinhalt datiert 1770-1771, Staatsarchiv Bern, Signatur B_VII_5432a, Ausschnitt (Foto: Ch. Maier).

Bucheinband recto, Buchinhalt datiert 1792, Staatsarchiv Bern, Signatur B_VII_1566, Ausschnitt (Foto: Ch. Maier 2018).

Löcher und Schabefrass-spuren an Bucheinband (Foto: Ch. Maier 2018).


Kommentare

  1. Gravatar

    Wie kann ich die gesamte Master- Theiss von Charlotte Maier einsehen. Als Buchrestauratorin würde mich diese Arbeit als Gesamtes interessieren, da ich annehme, dass im internet nur oben angezeigte Kürzung vorhanden ist, wo ich leider keine Ergebnisse ausmachen kann.
    Mit besten Grüssen aus Wien
    Ilse Mühlbacher

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